EIN ANWALT AUF ABWEGEN
Die Mafia braucht skrupellose Männer mit Spezialwissen, um ihre kriminellen Geschäfte abzuwickeln. In Köln hatte die Baumafia einen Juristen, der passend machte, was nicht passen durfte.
Das System der Baumafia funktioniert nur, weil sie deutsche Komplizen hat. Experten auf ihrem Gebiet. Leute, die sich mit dem deutschen Recht auskennen. Einer dieser Experten ist Jan L., ein Rechtsanwalt. Wie es in Kreisen der Justiz heißt, ist Jan L. schon in den 90er Jahren in der kriminellen Subunternehmer-Szene ein bekannter Anwalt und Steuerberater gewesen. Er ist in dutzende Angelegenheiten mit Strohmannfirmen verwickelt. Im Jahr 2003 wird der Strohmann Mario I. von Gabriele S. auf Sizilien angeworben. Beide sind in Licata geboren. Mario L. sagt zu und fliegt nach Deutschland. Er wird Geschäftsführer der Strohmannfirma IM Bau. Ein Kollege von Jan L. ist dabei der Notar, Jan L. selbst ist Steuerberater. Jan L. meldet Mario I. auf seiner damaligen Adresse in Greifenstein an. Ein helles Haus am Hang mit weiter Sicht über Hessen, im Lahn-Dill-Kreis. Oben eine breite Einfahrt für große Wagen, unten, hinter dem Haus ein Keller mit einem niedrigen Büroeingang. Die Behörden gehen davon aus, dass der Strohmann nie in Greifenstein gewohnt hat. Laut Zeugenaussagen, begleitet der ehemalige Anwalt den Strohmann bei Behördengängen, zur Handwerkskammer und dem Finanzamt. Als die Strohfirma auffliegt, wickelt Jan L. sie ab. Mario L. fliegt zurück nach Italien, für seine Dienste als Strohmann bekommt er angeblich 20.000 Euro. Die Steuerfahndungsstelle Wetzlar ermittelt gegen Jan L.. Seine Büroräume werden durchsucht. Dabei finden die Behörden einen Lohnordner der IM Bau. Jan L. redet sich raus, der Geschäftsführer Mario I. sei einfach verschwunden. Mitsamt den Firmenunterlagen. Jan L. verliert seine Anwaltszulassung. Es ist unwahrscheinlich, dass er sie zurückbekommen hat. Er ist jedoch weiterhin als Steuerberater tätig. Für dieselben Hintermänner, nur mit immer wieder wechselnden Strohfirmen. Der Strohmann Mario I. nennt Jan L. einen Betrüger. Von einem anderen Zeugen wird Jan L. als kinderlos beschrieben. Dafür habe er viele Hunde und Katzen. Nach den Verhaftungen im vergangenen Jahr hat sich Jan L. gänzlich zurückgezogen. Er ist mehrfach umgezogen, vielleicht um seine Spuren zu verwischen. Jetzt lebt er in einem kleinen Dorf, in der Nähe von Bremen.Wir haben Jan L. angeschrieben und um Stellungnahme gebeten. Auch über seinen Vermieter haben wir versucht, Kontakt zu Jan L. aufzunehmen. Wir haben eine Antwort erhalten. Jan L. sagt, er habe mit der Sache nichts zu tun. Er habe nur als Dienstleister für die Männer der Baumafia gearbeitet, aber nichts von ihren kriminellen Geschäften gewusst. Seine Entlohung habe sich entsprechend der Gebührenordnungen bewegt. Die kurze Lebensdauer der Firmen sei normal gewesen, weil die Italiener gezwungen gewesen seien, als Subunternehmer zu handeln. „Insoweit war dies nichts besonderes.“ Jan L. legt Wert auf die Feststellung: „Wir waren keineswegs Teil des Systems, sondern wurden für eine normale Tätigkeit honoriert.“ Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Sie hat Anklage gegen Jan L. in Köln vor dem Schöffengericht erhoben. Anna Neifer
Jan L. besitzt die Kenntnisse, die das Netz aus Strohmannfirmen von Gabriele S. erst ermöglichen. Er setzt die Schriftstücke für die Firmengründungen auf, segnet als Notar Gründingsdokumente ab, eröffnet Kontos für die Strohmannfirmen und sucht Büroräume. Zwei Strohfirmen meldet er sogar auf seine damalige Adresse in der Gemeinde Greifenstein an.