DIE FINANCIERS DER BAUMAFIA
Über die Telefone ihrer Unternehmen werden Schwarzarbeiter beauftragt, in den Listen der Steuerfahnder tauchen sie als Rechnungskäufer auf. Doch sie fühlen sich betrogen und hinter das Licht geführt. Auf dem Papier sehe doch alles richtig aus. Die Auftraggeber der Strohmannfirmen schweigen oder reden sich raus.
Ein Dortmunder Bauunternehmer will von nichts von der Baumafia wissen. Ja, er kenne Rosario P., sagt der Unternehmer. Er sei einer seiner Subunternehmer. Aber dass dieser Rosario P. etwas kriminelles gemacht haben soll, davon wisse er nichts. Er wisse auch nichts von Schwarzgeld, nichts von Schwarzarbeit, nichts von Einsätzen der Baumafia auf seinen Baustellen, wie beim Umbau der Mensa an der Dortmunder Uni. Aus seinen Papieren ginge hervor, dass alles rechtmäßig abgelaufen sei, sagt der Unternehmer. Dabei starrt er ungläubig nach vorne. Rosario P. sei ihm als verlässlicher Unternehmer empfohlen worden. Von wem, das sagt Unternehmer nicht.
Die Dokumente im Fall des Dortmunder Bauunternehmers sind eigentlich eindeutig. In den Ermittlungsunterlagen der Kölner Polizei zum Fall der Baumafia im Rahmen der Operation „Scavo“ finden sich reihenweise angehörte Telefonate mit Führungskräften des Unternehmens . Über Rosario P. werden Arbeiter auf Baustellen in Dortmund bestellt oder zu einer Baustelle nach Geilenkirchen oder für eine Niederlassung der Firma REWE. Ermittler hören ab, wie Rechnungen willkürlich manipuliert werden sollen und wie sich ein Polier des Dortmunder Unternehems über die Qualität der Malocher von Rosario P beklagt. Und immer wieder taucht die Dortmunder Firma in Unterlagen der Steuerfahndung als so genannter Rechnungskäufer auf. Mit Rechnungskäufer werden Firmen bezeichnet, die an Strohfirmen den Baumafia Scheinrechnungen stellen, um nach dem Abzug einer Gebühr, Schwarzgeld zu generieren, um damit Schwarzarbeiter bezahlen zu können. Alleine bei der Scheinfirma Atici lassen sich nach Ansicht der Steuerfahnder Rechnungskäufe über 141.206,80 Euro durch das Dortmunder Unternehmen nachweisen. Die Firma Atici residiert in einem Reihenhaus in Dortmund.
Der Chef der Dortmunder Firma will von alldem nichts wissen. Ja, die Firma Atici sei ein Nachunternehmer im Bereich Rohbau gewesen. Mehr aber nicht. Der Chef sagt, es gebe keine Scheinrechnungen. In seinen Büchern sei alles in Ordnung. Es seien dort keine Schwarzarbeiter verzeichnet und alle Arbeiten, die er bauftragt habe, seien auch ordentlich ausgeführt worden. Tatsächlich will sich keiner der weit über 350 anderen Rechnungskäufer, die im Verfahren rund um die Kölner Baumafia Aktenkundig geworden sind, kritisch einlassen. Der albanische Bauunternehmer antwortet nicht auf eine entsprechende Anfrage. Ein Bonner Traditionsunternehmen, das mehrere hunderttausend Euro über Rechnungskäufe abgewickelt haben will, schweigt. Die Auftraggeber tauchen unter. Im Fall der Dortmunder Firma schweigt selbst das Studentenwerk Dortmund, das den Umbau der Mensa beauftragt habe. Es heißt lediglich, alle Belege nach dem Tariftreuegesetz hätten vorgelegen. Die Bescheinigungen über die Arbeiter, die Erklärungen der Sozialversichrungsbehören, einfach alles. Deswegen sei die Dortmunder Firma mit den Arbeiten beauftragt worden. Als Bauherr habe das Studentenwerk nicht mehr tun können. Dass Schwarzarbeiter auf der Baustelle tätig gewesen sein sollen, wie es die Abhörprotokolle nahelegen, davon will das Studentenwerk nicht wissen, heißt es in Telefonaten. Zum Fall öffentlich äußern, das will man sich in keinem Fall. Untertauchen. Das ist das Prinzip. Dabei sind es vor allem die öffentlichen Bauherren selbst, die das System erhalten. Nach dem Deutschen Vergaberecht vergeben sie die Arbeiten immer an den billigsten Generalunternehmer. Wenn die Papiere gut sind, gibt es die Aufträge. Der Job der Baumafia ist es, dem Generalunternehmer ordentliche Papiere zu besorgen, damit die Aufträge auch an Land gezogen werden können. Ein Insider der Ermittlungen sagt: „Es gibt kaum eine Großbaustelle in Deutschland, bei dem nicht mit Strohfirmen und illegalen Schwarzarbeitern gearbeitet wird.“ Das Landgericht Köln urteilte in einem Verfahren zur Baumafia aus dem Jahr 2009, die aufgedeckten Vorgänge stünden „nur für einen Ausschnitt aus einem riesigen Komplex, der für den Niedergang einer seriösen Bauwirtschaft in Deutschland stehe. Trotz gesetzgeberischer Maßnahmen zur Eindämmung der Delikte gebe es kein effektives Kontrollsystem“. Bereits im Jahr 2003 schätzte der Bundesrechnungshof die Steuerausfälle in einem Sonderbericht durch Steuerbetrug auf jährlich 64 Milliarden Euro. Seit 2003 sind die Summen enorm gestiegen. Und die Mafia hält die Hand auf. Tatsächlich laufen die Baustellenüberwachungen durch den Zoll häufig ins Leere. Die Papiere der Schwarzarbeiter sind nach außen hin in Ordnung. Sie werden über Strohmannfirmen zu einem niedrigen Lohn bei den Sozialbehörden gemeldet. Telefonüberwachungen und verdeckte Ermittlungen können nur in Ausnahmefällen gegen illegale Bauunternehmer geschaltet werden, beklagt sich das Landeskriminalamt NRW in einem Bericht zur Baumafia, der unter Verschluss gehalten wird. Nur in wenigen Fällen, wenn nachgewiesen werden kann, dass einzelne Akteure systematisch als Bande gewerbsmäßig zusammenwirken, kann eine härtere Gangart eingeschlagen werden. Doch das ist zu selten der Fall. In Köln gehen die Behörden öfter so vor. In Dortmund, Hagen, Düsseldorf und Bochum manchmal, auf dem Land so gut wie nie. Der Aufwand ist zu groß. Dementsprechend sieht das Dunkelfeld der Baumafia und ihrer Strohfirmen aus. Wir fragen den Dortmunder Unternehmer was er von der Baumafia hält. Er sagt: „So etwas mag in Italien funktionieren, aber ich glaube in Deutschland ist das schwierig. Unsere Gesetzeslage ist, glaube ich, ausreichend.“ Wir fragen ihn, was er zu den Abhörprotokollen sagt, in denen der Name seiner Firma auftaucht. Er sagt: „Darüber ist mir nichts bekannt. Von Seiten der Öffentlichkeit ist auf uns noch nicht zugegangen worden, deswegen haben wir uns da überhaupt nichts vorzuwerfen.“ Wir fragen ihn, ob er Rechnungen der Firma Atici gekauft hat. Er sagt: „Die Firma war für uns als Nachunternehmer im Bereich Rohbau tätig. Und die hat auch alle Nachweise, die wir prüfen, sauber vorgelegt meines Erachtens. Wir sind hier offensichtlich betrogen worden, so etwas darf nicht passieren. Wir distanzieren uns davon.“ Nach drei Wochen reden wir noch mal mit mit dem Dortmunder Unternehmer. In dieser Zeit ist ihm eingefallen, dass er vor unserem ersten Gespräch auch schon zwei Schreiben der Ermittlungsbehörden bekommen hatte – seltsam. Er sagt: „Ich war sehr geschockt. Ich hab das bislang wirklich nicht für möglich gehalten.“ Wir fragen ihn, was er den Ermittlern berichtet hat. Er sagt: „Ich hatte das beim letzten Termin nicht auf dem Schirm, es ist tatsächlich konkret eine Anfrage der Staatsanwaltschaft Köln an uns gekommen, eine schriftliche Anfrage, besteht aus zwei Schreiben, darin wird auch konkret gegen Atici ermittelt. Dass es die Firma Atici nicht gegeben hat, ist mir nicht bekannt. Die Firma hat für uns gearbeitet, sie hat uns Nachweise gebracht, Unbedenklichkeitsbescheinigungen vom Finanzamt, Unbedenklichkeitsbescheinigungen von der Bauberufsgenossenschaft, alles, was wir brauchen, um das nachzuweisen, möglicherweise handelt es sich da um Fälschungen, das hab ich jetzt im Detail noch nicht kontrolliert, aber das sah alles völlig plausibel und üblich aus.“ David Schraven