VOM BAU IN DIE POLITIK
Ausgerechnet in den Unterlagen der Baumafia in Köln finden sich dutzende Unterlagen zu politischen Kontakten; allen voran zur Partei des berüchtigten italienischen Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, Forza Italia.
Die Polizisten in Köln staunen nicht schlecht, als sie nach einer Razzia im Umfeld der Kölner Baumafia auf Visitenkarten eines italienischen Politikers aus dem Jahr 2007 stoßen: Massimo Romagnoli; Abgeordneter des italienischen Parlamentes, Mitbegründer der Welt-Föderation der italienischen Unternehmer und Mitglied der Partei Forza Italia des berüchtigten Ex- Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Die Geschäftskarten von Romagnoli fanden sich in den Unterlagen von Calogero D. Einem der führenden Köpfe der Baumafia in NRW. Eine seltsame Verbindung.
Calogero D. ist bei weitem nicht der Mann, den man in der Nähe eines Politikers Vermuten würde. Er hat einen Wohnsitz in Köln. Gebürtig ist er aber aus Sizilien aus einem Dorf in der Nähe von Licata, der Heimat der meisten Angeklagten im Kölner Großverfahren gegen die Baumafia. Er wurde 1963 geboren und reiste mit seinen Eltern nach Deutschland – zunächst nach Wuppertal, später nach Köln. Mit 29 Jahren dann ging er zurück nach Italien. Für die deutschen Ermittler verliert sich hier seine Spur. Nicht aber für die italienischen Carabinieri. Wie aus Akten eines Mafia-Verfahrens in der sizilianischen Provinz Agrigent hervorgeht, war Calogero D. als Leibwächter eines Mafiabosses tätig. Sein Spitzname in dieser Zeit: „Lillo, der Knoblauchhändler“. Sein Name taucht in mehreren Ermittlungen auf. Im Zusammenhang mit Mord und Drogenhandel. Nachdem einer seiner Mafia-Vorgesetzten in einem internen Mafiakrieg getötet wird, flüchtet er sich in die Arme der Justiz. Er wird Kronzeuge, sagt gegen die konkurrierenden Bosse aus. Für seine eigene Beteiligung an einem Mord bekommt Calogero D. zwei Jahre und vier Monate Haft. Die mitbeschuldigten Bosse gehen für Jahrzehnte in den Knast. Laut Akten freut er sich gegenüber der italienischen Staatsanwaltschaft: „Meine Zusammenarbeit hat die Justiz belohnt“.
Aus der Haft entlassen kommt Calogero D. Ende der Neunziger Jahre zurück nach Deutschland. Zurück nach Köln. Er schlägt sich mit einer Reinigungsfirma durch, macht ein wenig Geld als Versicherungsmakler und steigt bei der Baumafia ein. Seine Polizeiakten werden dicker. Wegen Steuerhinterziehung wird er verurteilt, wegen Raub, Betrug, Körperverletzung und Teilnahme an einer Massenschlägerei mit Messern und Baseballschlägern vermerkt. In den Ermittlungsakten werden Kontakte zum Drogenhandel und zur Prostitution notiert.
Der Politiker Massimo Romagnoli (links) gehörte zur Partei des Cavaliere Berlusconi, Forza Italia. Er hatte zudem Kontakte zu einem Mitglied der Baumafia in Köln – zu Calogero D.
Im Netz der nordrheinwestfälischen Baumafia fällt Calogero D. auf. Er organisiert eine eigene Strohmannfirma. Wird als Schwarzarbeiterhändler registriert. Spricht sich direkt mit den dicken Fischen ab, taucht auf, wenn es Probleme zu lösen gilt. Er ist einer der Männer im Hintergrund; einer, der die Fäden zieht. Erst 2013 wird er festgesetzt. Und direkt ist Calogero D. wieder kooperativ. Er weiß, die Zusammenarbeit mit der Polizei zahlt sich aus. Er sagt den Kölner Staatsanwälten, dass Gabriele S. einer der wichtigsten Drahtzieher im Baumafia-Netzwerk ist. Er ist geständig, was die Rechnungsdeals und den Steuerschwindel angeht. Je mehr er sagt, je eher kann er aus dem Knast. Das scheint die Rechnung zu sein, auf die er setzt. Was er verschweigt, ist seine Verbindung zu Mafia. Den deutschen Polizisten sagt er, wegen eines Missverständnisses hätten ihn einmal die italienischen Polizisten mit einem Mafia-Verfahren in Verbindung gebracht. Aber das sei sauber geklärt worden. Er sei kein Mafioso. In den Augen des italienischen Journalisten Franco Castaldo ist diese Ausage für Unfug. Castaldo gibt seit fast 20 Jahren die Wochenzeitung Grandangelo in der sizilianischen Stadt Agrigent aus. Er sagt, wer so tief in der Mafia engagiert war, wie Calogero D., auch heute noch kriminelle Geschäfte macht, ist auch weiter für die Mafia tätig. „Calogero D. muss einer der Kontaktleute zu den Bossen in Agrigent sein.“ Doch von Calogero D. führen nicht nur Spuren zur Mafia in Sizilien. Er hat auch in die Politik Kontakte. In den Unterlagen, die in seinem Haus beschlagnahmt wurden, finden sich nicht nur Visitenkarten des damaligen italienischen Abgeordneten Massimo Romagnoli. Es sind auch Unterlagen von italienischen Politikern aus der Schweiz und Bulgarien aufgetaucht. Von Kontaktpersonen in Belgien, in England, Budapest und Griechenland. Von den Ermittlern dazu befragt sagt der Baumafioso aus: „Dabei ging es nur um Politik“. Wie er weiter einräumt, kümmerte sich Calogero D. darum, Stimmen der Auslanditaliener für Abgeordnete im römischen Parlamment aufzutreiben. Nach eigener Aussage war er mit einem Schweizer Politiker und Romagnoli eine Tage auf Wahlkampftournee. Offenbar mit Erfolg. Im Jahr 2006 wird Romagnoli mit 8700 Stimmen aus dem Ausland in das italienische Parlament gewählt. Etliche Stimmen davon kommen aus Köln. Das spannende daran: die Mafia hat seit Jahren ein extremes Interesse daran, Politiker abhängig zu machen. Am besten über Stimmenfang. In Nürnberg flog vor einiger Zeit ein großes Programm der Mafia zum Stimmenkauf auf. Auslandsitaliener konnte ihre Stimme für 50 Euro an einen Kandidaten der organisierten Kriminalität verkaufen. In Sizilien haben diese Verkäufe Tradition. Wer mit einem Handyfoto dokumentiert, dass er den richtigen Kandidaten angekreuzt hat, kann mit einem Lohn von der örtlichen Mafiafiliale rechnen. Ganze Stadträte wurden schon wegen Unterstützung der Mafia aufgelöst. Ein international aktiver Politiker wie Massimo Romagnoli ist in den Augen der Mafia besonders spannend. Er war einst verantwortlich für die internationale Entwicklung von Solar- und Windkraftanlagen der Ökofirma ENERGETICA. Deren Eigentümer standen über Ecken in Kontakt zu Vito Nicastri, der nach Meinung der italienischen Antimafia-Behörde einer wichtigste Alliierten Geschäftsmänner des Mafia-Clans von Alcamo ist. Der Hintermann des Clans: einer der meistgesuchte Kriminellen der Welt, der Boss der Bosse der Cosa Nostra, Matteo Messina Denaro. Im Kosmos der Mafia ist ein Mann wie Massimo Romagnoli eine Nummer. Einen, den man gerne auf seiner Seite hätte. Der Politiker könnte zum Beispiel helfen, dringend benötigte Reisedokumente zu besorgen. Aber hat er das auch getan? In einem Gespräch gibt der Ex-Abgeordnete Romagnoli zwar zu, mit Calogero D. in Kontakt gewesen zu sein. Aber eine Gegenleistunge für die Wahlkampfhilfe habe es nicht gegeben. Stimmt das? Calogero D. erzählt den deutschen Beamten, er sei von einem inhaftierten Mitglied der Baumafia darauf angesprochen worden, ob er helfen könne, einen Pass zu organisieren. Er kenne doch den Abgeordneten Romagnoli, der für die Italiener in Deutschland zuständig sei. Calogero D. sagt, er habe sich drauf eingelassen. Er habe den Kumpan aus der Baumafia zum Konsulat begleitet. „Der hat den Antrag gestellt und nach vier Wochen bekam er den Pass dann auch.“ Der Ex-Abgeordnete Romagnoli sagt, es komme zwar regelmäßig vor, dass ihn Leute um Hilfe bei Passangelegenheiten bitten. Er habe aber nie Calogero D. oder einem seiner Freunde geholfen. Calogero D. wollte sich nicht zu seiner Rolle in der Mafia, zu seiner Vergangenheit, seiner Bekanntschaft mit Romagnoli und seinen Verbindungen in die Politik äußern. Sein deutscher Rechtsanwalt sagte: „Er hat kein Interesse daran, sich mit einem Journalisten zu unterhalten.“ David Schraven